Es ist vollbracht. Die Proteste und Demos hunderttausender User gegen das neue Urheberrecht im Internet weicht nun der Resignation, denn der EU-Rat saß am längeren Hebel. Artikel 17 bzw. Artikel 13 wurden trotz aller Gegenwehr durchgewunken und sollen innerhalb der nächsten zwei Jahre von den EU-Staaten umgesetzt werden. Wie geht es nun weiter? Am besten erst einmal mit einer Schweigeminute. Auf Wiedersehen, Meinungsfreiheit. Hallo, Internet-Zensur.
Zwei Jahre Eingewöhnungszeit
Die jeweiligen Länder haben nun noch ein wenig Zeit, die neuen Regeln einzuführen und ihre Schäfchen auf ihre Weise etwas abzuhärten. Wie das im Einzelfall aussehen könnte, wird sich bestimmt bald herauskristallisieren. Österreich möchte jedenfalls gleich Nägel mit Köpfen machen und fand die Idee von Anfang sowieso toll. Kleine und Start-up-Unternehmen sollen ein wenig besser wegkommen und von Ausnahmeregelungen profitieren, aber irgendwie glauben wir das auch erst, wenn wir es sehen. Schweden bevorzugt die softe Variante und setzt nur um, was wirklich sein muss. Tja, aber wer von uns sitzt schon in Schweden?
Und was ist mit Deutschland?
Deutschland war bis zum bitteren Ende selbst nicht sicher, inwiefern die Reform nun toll sein soll. Schlussendlich einigten sich SPD und CDU/CSU darauf, eine Protokollerklärung einzureichen. Uploadfilter sollen demnach nicht uneingeschränkt eingesetzt werden bzw. sollen Online-Inhalte nicht automatisch gelöscht werden. Ein kleiner Lichtblick in der düsteren Vorstellung, dass die Zensur durch den Staat (wieder) offiziell anerkannt und praktiziert wird. Grund genug, wenigstens ein kleines bisschen aufzuatmen. Sollte man dem Frieden beziehungsweise einer entsprechenden „Willenserklärung“ trauen, bist du als Forums- oder Nischenseitenbetreiber auf der sicheren Seite und wirst von den Maßnahmen weitgehend verschont, genau wie auch Gifthub und Wikipedia. Mal sehen, ob man sich daran auch in zwei Jahren noch erinnert.
Schadensbegrenzung?
Das Hauptargument der Protestanten, die sich gegen die Durchsetzung der Reform wehren wollten war, dass sie gerade die kleineren Plattformen in den Ruin treiben. Die EU-Mindestgrenzen besagen nun, dass in Bezug auf Uploadfilter nicht ganz so streng vorgegangen werden soll, wie ursprünglich befürchtet. Um unter die Neuregeung zu fallen, muss eine Plattform eine der folgenden Kriterien erfüllen: Mindestens 5 Millionen Nutzer monatlich, 10 Millionen Umsatz jährlich oder ein Alter von über 3 Jahren. Das letzte Kriterium ist dabei ziemlich kritisch, denn es existieren eben auch „Kleine“, die dieses Alter längst überschritten haben. Werden sie in die Pflicht genommen, müssten sie wohl Filterdienste von den großen Anbietern kaufen, die sich die Entwicklung leisten können. Schadensbegrenzung wäre das nun wirklich nicht, sondern ein Schritt in Richtung Zensurmaschine, bei der die Mächtigsten bestimmen.
Widerstand ist noch möglich – Und nötig!
Es herrscht noch kollektives Kopfschütteln, denn wie eine Vorabfilterung in der Praxis funktionieren soll, ist noch nicht klar. Anbieter, die bereits hochgeladene Inhalte auf Urheberrechtsverstöße kontrollieren, wissen auch nicht, wie man es „noch besser“ machen kann. Als Beispiel wäre hier Youtube zu nennen. Auch die Zahlung von Gebühren durch Suchmaschinenbetreiber an Verlage laut Artikel 11 (jetzt Artikel 15) ist eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Die letzte Instanz und Chance ist der Europäische Gerichtshof. Dieser wird bald entscheiden müssen, ob die EU sich an die Grundrechte hält. Leider kann das Jahre dauern und ändert nichts daran, dass wir uns alle erst einmal mit den Uploadfiltern und anderen Innovationen arrangieren müssen.
Quelle: derStandard.at; Foto: pixabay.com
Erstellt am: 23. April 2019